Zur Veröffentlichung der Pilotstudie zur Geschichte des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz
Obwohl nicht unerwartet, erschüttert die Faktenlage zur Geschichte des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz.
Die veröffentlichten Zahlen seien «nur die Spitze des Eisbergs», so die Historiker:innen, die von den drei nationalen, kirchlichen Institutionen zur Pilotstudie beauftragt wurden.
Die "Allianz Gleichwürdig Katholisch", deren Mitglied wir sind, formuliert in ihrer Medienmitteilung vom 12.9.2023:
"Die heute veröffentlichten Resultate der Pilotstudie zur Geschichte des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz zeigen, wie viel Missbrauchsfälle und Fehlverhalten auch in der Schweiz geschehen sind. Wir sind voller Trauer und Mitgefühl für alle Menschen, insbesondere für jene, die im Umfeld der katholischen Kirche jegliche Art von Missbrauch erfahren haben. Der heutige Tag zeigt einmal mehr, wie nötig Veränderungen in der katholischen Kirche sind.
Dass die Aufarbeitung mit einem Folgeprojekt weitergeführt wird, ist ein wichtiger nächster Schritt; nur so kann die katholische Kirche Schweiz für das Geschehene Verantwortung übernehmen. «Verantwortung übernehmen» bedeutet, echte Konsequenzen zu ziehen, nicht „nur“ die Missbrauchsfälle und den Umgang mit dem Wissen, um Missbrauchsfälle offen zu legen. Auch die heute kommunizierten Massnahmen auf nationaler Ebene, die die SBK, RKZ und KOVOS beschlossen haben, begrüsst die Allianz Gleichwürdig Katholisch."
Zur vollständigen Medienmitteilung: Allianz Gleichwürdig Katholisch zum Missbrauch und zur Vertuschung - Gleichwürdig (gleichwuerdig.ch)
Das Scheitern anerkennen und durchbrechen
Der Schlussbericht des Pilotprojekts, der am 12. September 2023 veröffentlicht wurde, zeigt auf, dass sexueller Missbrauch und dessen Vertuschung auch in der katholischen Kirche Schweiz System hatte. Wichtige Grundzüge der katholischen Kirche haben sexuellen Missbrauch in diesem Aussmass überhaupt ermöglicht oder gar begünstigt. Gemeint sind «die spirituellen, sozialen und ökonomischen Machtkonstellationen […] die den Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche in der Schweiz seit 1950 prägten und ‘spezifisch katholisch’ sind». Dazu gehören beispielsweise klerikale Machtpositionen und spiritueller Missbrauch, das Priesterbild sowie die Ausbildungs- und Personalpolitik, die künftige Seelsorgende in der Vergangenheit nur ungenügend bis gar nicht auf ihre professionelle Eignung im Umgang mit Menschen geprüft hat. Ebenso ist damit eine Sexualmoral gemeint, die durch eine weitgehende Tabuisierung von Sexualität «verhinderte, dass über Missbräuche gesprochen wurde und diese sanktioniert wurden.» Auch die Haltung gegenüber Frauen, die nicht selten als Arbeitskräfte ausgenutzt wurden, bildete gerade in den von Ordensgemeinschaften geführten Heimen und Schulen eine Grundlage für Überforderung und Gewalt.
Viele kirchliche Institutionen haben in den letzten 20 Jahren bereits verschiedene Schritte unternommen, um das Geschehene aufzuarbeiten und dem Risiko von sexuellen Übergriffen präventiv zu begegnen. SBK, RKZ und KOVOS haben neben der Fortführung der wissenschaftlichen Erforschung weitere Massnahmen beschlossen, um institutionelle Mängel auf nationaler Ebene anzugehen:
1. Für Betroffene sowie Informantinnen und Informanten sollen schweizweit professionelle Angebote geschaffen werden, bei denen sie Missbräuche melden können.
2. Künftige Priester, ständige Diakone, Mitglieder von Ordensgemeinschaften und Seelsorgende sollen im Rahmen ihrer Ausbildung standardisierte psychologische Abklärungen durchlaufen.
3. Für die Führung von Personaldossiers und für die Weitergabe von relevanten Informationen über kirchliche Mitarbeitende werden Mindeststandards eingeführt.
4. Die Mitglieder aller drei Auftraggeberinnen verpflichten sich, keine Akten mehr zu vernichten, die im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen stehen oder den Umgang damit dokumentieren.
Mehr zum Projekt:
www.missbrauch-kath-info.ch
Die Website gibt Informationen für Betroffene und beschreibt das aktuelle Forschungsprojekt. Auch gibt sie Auskunft über den Stand der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Schweiz.