Franz von Assisi in der Elbphilharmonie Hamburg und eine neue Kammerversion von "Le Laudi"
2023 bis 2026 feiert die Franziskanische Familie verschiedene 800-Jahr-Jubiläen zu prägenden Ereignissen. Während letztes Jahr die Weihnachtsfeier von Greccio im Zentrum stand (https://www.tauteam.ch/aktuelles/455-friede-allen-menschen-800-jahre-betlehem-in-greccio), feiern wir dieses Jahr die besonderen Vorkomnisse auf La Verna (https://www.franziskus-von-assisi.ch/franziskanische-jubilaeen). 2025 wird dann der Sonnengesang des Franziskus gewürdigt. Darauf vorausblickend soll hier auf zwei besondere musikalische Ereignisse hingewiesen werden:
Am 2. Juni 2024 hat mit «St. François d’Assise» von Olivier Messiaen die aufwendigste Opernproduktion seit der Eröffnung der Elbphilharmonie Premiere, zwei Folgevorstellungen gibt es am 6. und 9. Juni. Die Franziskanische Gemeinschaft freut sich über die Kreise, welche der Heilige Franziskus heute zieht.
In einer Zeit, die uns tagtäglich mit negativen und schlimmen Neuigkeiten eindeckt, ist es erfreulich, dass auf höchstem künstlerischem Niveau ein Kontrapunkt gesetzt wird, der wohl international ausstrahlt: Mit seiner einzigen Oper «Saint François d’Assise» hinterliess der Franzose Olivier Messiaen ein gewaltiges Vermächtnis. Sie zeichnet in drei Akten und acht Bildern das Eingehen der göttlichen Gnade in die Lebensstationen des heiligen Franz von Assisi nach, der sich als besitzloser Wandermönch um die Ärmsten der Armen kümmerte und Tieren und Pflanzen predigte.
Als Höhepunkt des Internationalen Musikfests Hamburg bringt Kent Nagano das selten gespielte Werk, das knapp fünf Stunden dauert, mit seinen Philharmonikern gleich dreimal auf die Bühne der Elbphilharmonie. Rund 300 Mitwirkende und Musik zwischen Askese und Ekstase: Erstmals wird die Bühne im Großen Saal der Elbphilharmonie mit einem Steg überbaut, rundherum strahlt ein LED-Ring Videos aus.
Regie führt der Intendant der Hamburger Staatsoper, Georges Delnon, der das Werk über den heiligen Franz von Assisi ganz neu ausdeutet und den Heiligen in der Gegenwart sucht: «Franziskus war jemand, der die Menschen unterschiedlichster Herkunft und sozialer Zugehörigkeit zueinander führte. Er ist für uns Geistlicher, Umweltschützer, Sterbebegleiter, Jugendlicher, Wissenschaftler, Musiker, Obdachloser, Sterbender, Helfender.»
Prägende Stationen des Lebensweges
Mit «Saint François d’Assise» hinterliess Olivier Messiaen ein gewaltiges Vermächtnis. Die Oper schildert anschaulich einige prägende Stationen auf dem Lebensweg des Heiligen: die Heilung eines Leprakranken, das Empfangen von Wundmalen an Händen und Füßen und natürlich die »Vogelpredigt« und den «Sonnengesang», die Franz von Assisis besondere Verbindung zur Natur zeigen.
Für Olivier Messiaen lag die Vertonung auf der Hand. Nicht nur war er tief gläubiger Katholik, der 60 Jahre lang (!) als Organist der Pariser Kirche La Trinité wirkte. Als vielseitig Begabter erlebte er eine quasi transzendente Wahrnehmung von Farben, Formen und Klängen. Und als leidenschaftlicher Hobby-Ornithologe – dem Zeitvertreib des Vogelbeobachtens frönte auch der heilige Franz von Assisi – zeichnete er rund 700 Vogelrufe in Notenschrift auf.
«Fortschreitende Stadien der Gnade»
Messiaens Musik spiegelt diese Inspirationsquellen auf äusserst farbenreiche Weise wider. Er selbst beschrieb die Oper so: «Sie schildert die fortschreitenden Stadien der Gnade in der Seele des heiligen Franziskus. Alles, was keine Farben, keine Wunder, keine Vögel, keine Frömmigkeit und keinen Glauben enthielt, habe ich ausgespart.»
Dirigent Kent Nagano war 1983 als Messiaen-Student bei der Uraufführung dieses so einzigartigen Werks dabei. Er gehört heute zu den wichtigsten Interpreten des Komponisten. Olivier Messiaen, geboren in Avignon, lebte von 1908 – 1992. Er war Komponist, Kompositionslehrer und Organist und beschäftigte sich außerdem mit der Ornithologie(Vogelkunde). Kurz nach seinem Tod wurde das Werk an den Salzburger Festspielen aufgeführt. In einem Interview sagte er einmal: «Wenn ich ins Konzert gehe, dann will ich, dass mir die Tränen kommen; wenn ich nicht weine, bedeutet das: Es war nicht gut.»
Werner Kamber, Franziskanische Gemeinschaft Appenzell
Neue Kammerfassung von Hermann Suters "Le Laudi di San Francesco" - 100 Jahre nach der Uraufführung
Im Sommer 1923 reiste Hermann Suter nach einer anstrengenden Konzertsaison ins Engadin, wo er mit seiner Frau am Silsersee eine Privatwohnung bezog. Hier, in der Stille der Bergwelt, fand er Erholung und Ruhe, wobei er aber nicht untätig war: In ungefähr zwei Monaten entstand das Oratorium Le Laudi di San Francesco d'Assisi. Grundlegende Ideen zur Konzeption mag er schon vorher in sich getragen haben, Instrumentierung und letzte Ausarbeitung mochten noch folgen, aber die eigentliche Komposition des Werkes erfolgte in einem Zuge, und er ruhte nicht eher, als bis sie vollendet war.
Suter widmete das Werk 'seinem' Basler Gesangverein, und an dessen Feier zum 100-jährigen Bestehen brachte er es im Juni 1924 im Basler Münster zur Uraufführung, die mit grosser Begeisterung aufgenommen wurde und nachfolgende Aufführungen in aller Welt auslöste.
Zwar wird Le Laudi auch heute noch hie und da aufgeführt, aber der grosse personelle und finanzielle Aufwand, den eine Aufführung verlangt, übersteigt die Möglichkeiten der meisten Chöre: 23 Bläser nebst umfangreichem Schlagwerk, Celesta, Harfe, Klavier und Orgel umfasst die originale Partitur, was eine grosse Streicherbesetzung und einen entsprechend gross besetzten Chor erfordert.
Davon ausgehend, dass die Orgel letztlich ein Blasinstrument ist, habe ich eine Kammerfassung verfasst, welche die relevanten Bläserstimmen der Orgel übergibt. Ein Streichquintett, dessen Besetzung sich an der Grösse des Chors orientiert, und ein Schlagzeugspieler (Pauken, Glockenspiel und Tamtam) vervollständigen das Instrumental-Ensemble. Die Vokalstimmen (Soli, Chor und Kinderstimmen) bleiben unverändert, sodass aus dem bestehenden, bei Hug Musikverlage erschienenen Klavierauszug gesungen werden kann.
Möge meine Kammerfassung Le Laudi auch kleineren Chören zugänglich machen, diesen ergreifenden Lobgesang mit dem altitalienischen Text des Franz von Assisi, der die ersten und letzten Dinge berührt, und mit Hermann Suters Musik, die von der spätromantischen Warte aus auf Jahrhunderte europäischer Musikgeschichte zurückblickt.
Urs Stäuble